Die heute so friedlich nebeneinanderstehenden großen Kirchen, die evangelische St. Stephanskirche und das katholische Münster, haben eine sehr unfriedliche Geschichte. Das Münster „Unserer Lieben Frau“ geht auf eine Marienkapelle zurück, die als Bestandteil eines Frauenklosters 810 errichtet wurde. Lange Zeit diente sie als „Stiftskirche“ für das bis 1802 existierende katholische, reichsfürstliche, freiweltliche Damenstift. Die Stephanskirche dagegen wurde als Ersatz für die zu klein gewordene Peterskirche um 1180 erbaut, immer wieder verändert und vergrößert.

Lindau hatte ein sehr reges kirchliches Leben, das sich auch in den sozialen Bereich hinein auswirkte. Eine treibende Kraft dafür waren die „Barfüßer“, Franziskanermönche, die 300 m südlich von hier ihr Kloster (das heutige Stadttheater) hatten. Sie sind es auch, die sehr früh reformatorische Gedanken predigen und durch ihren unermüdlichen Einsatz, u. a. bei der Pflege der Pestkranken, überzeugender wirken als der hochmütige „katholische“ Stadtpfarrer, der zugleich Generalvikar des Konstanzer Bischofs war.

So wird ein Bregenzer Franziskaner, der Zwinglis Lehre kennt und vertritt, vom Rat der Stadt zum Pfarrer bestimmt und erhält als Gehilfen den Prädikanten Thomas Gasser aus Bludenz, der als Anhänger Luthers aus Vorarlberg vertrieben worden war. Er wird zum eigentlichen Reformator Lindaus. Im Jahre 1528 entscheidet sich der Rat der Stadt endgültig für die Einführung der Reformation. Schwierige Jahre mit konfessionellen Streitigkeiten folgen bis zum Westfälischen Frieden 1648. Dank der Friedensvermittlungen des Ratsherrn und Gesandten Valentin Heider kann die Stadt ihre religiösen Interessen wieder selbst bestimmen. Erst 1812 wird im evangelischen Lindau eine katholische Pfarrei gegründet, aber ihre Toten dürfen die Katholiken nicht im Stadtgebiet begraben.

Ökumene entwickelt sich eigentlich erst nach dem 2. Weltkrieg: Man stellt sich gegenseitig Gottesdiensträume zur Verfügung, hält Friedensgebete und -gottesdienste und seit 2000 auch ökumenische Bodenseekirchentage. Heute ist die Zusammenarbeit an der Basis selbstverständlich.