Ein Gespräch mit Meinrad Gfall, Leiter der Stadtgärtnerei Lindau: über den Lindenhofpark, die für 2021 geplante Landesgartenschau und darüber, was die Insel- und Gartenstadt so besonders macht

Viele Einheimische warten im Frühjahr ungeduldig auf den Tag, an dem die Stadtgärtner endlich auf die Insel kommen. Denn auf den Ladeflächen ihrer orangefarbenen Autos fahren sie den Frühling heran. Die stattlichen Palmen für den Kreisverkehr, hunderte bunter Stiefmütterchen für die Rabatten, Tulpen und Osterglocken für den Brunnen am Markt – all dies sind lang ersehnte Farbtupfer nach dem Winter. Und wohl jeder, der über die Insel schlendert, macht irgendwo ein Foto, auf dem die Mischung aus Grün und Bunt verewigt ist – und damit auch das Werk von Meinrad Gfall, dem Leiter der Stadtgärtnerei. Mit insgesamt 40 Mitarbeitern kümmert er sich um alle Lindauer Grünanlagen, oder, wie er es formuliert: um einen großen und sehr besonderen Schatz.

Meinrad Gfall | Wir profitieren heute von dem, was uns unsere Vorgänger hinterlassen haben. Und das sind, sowohl auf dem Festland als auch auf der Insel, neben jahrhundertealten Bäumen und Alleen auch wunderbare Parks und Gärten.

 

Da ist beispielsweise der Stadtgarten, direkt am Eingang der Insel, in dem neben üppig blühenden Blumenrabatten auch exotische Gewächse wie Ginkgo, Palmen, Bananen und Magnolien zu finden sind. Die ehemalige Maximiliansschanze nahe dem Casino, auf der mächtige Platanen Schatten spenden beim Blick über den See. Oder der Lindenhofpark, der sommers wie winters eine
Oase der Ruhe und Erholung bildet.

Meinrad Gfall | Der Lindenhofpark ist eine Ausnahmeerscheinung, weil er ein englischer Landschaftspark mit formalen Elementen ist. Er kombiniert also zwei völlig gegensätzliche Gartenstile. Im Osten dominieren geschwungene, naturnahe Formen, im Westteil des Parks finden sich geometrische, architektonische Formen. Weniger theoretisch ausgedrückt: Dieser Park hat eine unglaubliche Atmosphäre, die jeder spürt – auch wenn man sie nicht beschreiben kann. Ja, er bietet schöne Grünflächen und einen tollen Blick auf die Insel, die Berge, das Wasser. Aber da ist noch mehr. Weyhe hat dieses Areal vor rund 180 Jahren ganz bewusst angelegt, um die Blicke genau so zu lenken. Das ist eine große Kunst.

 

1999 wurde ein Förderverein für den Erhalt des Lindenhofparks gegründet, der die Stadtgärtnerei bei der Pflege des Parks unterstützt und viele Impulse zum Erhalt und zur Weiterentwicklung des Geländes beisteuert. Blickachsen wurden freigeschnitten, Wege saniert, die kleinen Beete an der Südseite der Villa neu gestaltet.

Meinrad Gfall | Auch im Westteil der Anlage soll das Besondere wieder hervorgehoben werden. Zum einen werden dort die Parterre-Gärten an der Villa saniert, zum anderen soll der Nutzgarten rekonstruiert werden. Da sind zum Beispiel zwei Brunnenanlagen noch komplett erhalten – aber sie liegen zugeschoben unter einer zehn Zentimeter dicken Schicht Erde. Diese verschütteten Anlagen wollen wir wieder freilegen und herausarbeiten.

 

Natürlich gibt es hierfür nicht nur Befürworter – wie überall, wenn in Bestehendes eingegriffen wird.

Meinrad Gfall | Wenn ein klassisches Denkmal saniert wird, verstehen das die Leute. Wenn aber ein Gartendenkmal wie eben dieser Park umgestaltet wird, ist die Wahrnehmung eine andere. Dann denken manche: Da ist es doch schon schön, es ist grün und gemütlich, wozu muss man da noch so viel Geld ausgeben. Sicher werden wir nicht alles wieder so aufbauen, wie es mal war, da muss man Kompromisse eingehen. Wir versuchen eben, den goldenen Mittelweg zu gehen zwischen historischer Form und moderner Nutzung. Damit es für die Leute auch Sinn ergibt.

 

Stadtgarten auf der Lindauer Insel © Hari Pulko

Sinn ist das eine, Sicherheit das andere. Für die Stadtgärtnerei gibt es zu jeder Jahreszeit viel zu tun: Neben der „öffentlichkeitswirksamen“, gestalterischen Arbeit gehört auch viel Kontrolle, Bewahrung und Pflege zum Job.

Meinrad Gfall | Lindau hat jedes Jahr hunderttausende Gäste – da stellt sich natürlich auch die Frage der Sicherheit, in Parks ebenso wie im Stadtgebiet oder an den Uferflächen. Wenn ein Sturm über uns hinweg gefegt ist, müssen wir die Bäume auf Astbruch kontrollieren, ob sich die Wurzel angehoben hat etc. Die Menschen gewöhnen sich immer mehr daran,  dass Gefahren ausgeräumt werden, und verlernen, sich auf die Natur und die Gegebenheiten einzustellen. Dieser Entwicklung muss man einerseits Rechnung tragen, andererseits wollen wir natürlich unsere Naturschätze erhalten. Es ist eine Gratwanderung zwischen Baumpflege, Sicherheit und Naturempfinden, und dieser Zwiespalt kann Kraft, Energie und Nerven kosten. Denn ja, manchmal sind Baumfällungen
eben notwendig. Das tut weh, weil sich das Flair einer Stadt dadurch natürlich verändert. Aber das war schon immer so, wir pflanzen ja auch nach. Man muss eben Geduld haben, Bäume wachsen nun mal nicht so schnell. So etwas muss man aushalten können.

 

Wenn der Leiter der Gärtnerei durch die Stadt geht, betrachtet er jeden Baum, jeden Strauch mit den Augen des Profis – und so wie ihm geht es vielen seiner Mitarbeiter.

Meinrad Gfall | Für uns ist das Stadtgebiet wie unser eigener Garten – da gibt es immer was zu tun. Diese Identifikation mit den Anlagen, die haben alle meine Mitarbeiter. Wir alle sehen nicht nur das eine Beet, an dem wir arbeiten, sondern das große Ganze. Das ist die eigentliche Kunst: die Stadt in Zusammenhängen zu gestalten. Wir gehen Aufgaben gemeinsam an und suchen nach Kompromissen – nur dadurch entsteht wirklich Schönes und Dauerhaftes.

 

Meinrad Gfall, in Garmisch und Grafing aufgewachsen, bezeichnet sich selbst als Kind der Olympiade 1972 in München. Die Gemeinsamkeit begeisterte ihn schon damals: zu erleben, wie viele zusammen etwas erarbeiten und sich daran erfreuen. Auch beim Fußball – er ist Bayernfan – berührt ihn der Zusammenhalt. Elf Freunde müsst ihr sein: Nach diesem Motto geht er auch die Planung der Landesgartenschau 2021 in Lindau an.

Meinrad Gfall | Für mich ist die Landesgartenschau schon jetzt ein Erfolg – weil auf Augenhöhe über Frei- und Grünflächen diskutiert wird. Die Stadtgärtnerei wurde von Anfang an eingebunden, und nicht erst als Letztes dazu geholt, wenn es nur noch darum geht, irgendetwas zu begrünen. Hier wird Hand in Hand gearbeitet, und das weckt auch das Verständnis für die anderen beteiligten Partner und Gewerke. Wir arbeiten miteinander auf ein gemeinsames Ziel hin, und während des Prozesses lernen alle dazu. So ein Projekt bringt eine Stadt wirklich weiter.

Natürlich werden die Arbeiten eine Belastung für Besucher und vor allem die Bewohner sein. Wir versuchen aber, es so gut wie möglich zu planen, so dass beispielsweise auch die Gartentage 2018 noch stattfinden können. Die Fertigstellungen werden schrittweise erfolgen, begonnen wird mit dem aufwändigsten Teil, also vom Wasser her. Hier werden neue Zugänge  geschaffen, danach arbeiten wir uns Richtung Land vor. Es ist für die Einheimischen und auch die Besucher wichtig, dass sie sehen, was wann und wo passiert, dann erträgt man es ein bisschen besser.

 

Viele der geplanten Anlagen bleiben auch nach der Schau erhalten, manches wird zurückgebaut. Sollten sich Förderer für Pavillons, Beete oder ähnliches finden, können Patenschaften übernommen werden. Das beste Element ist laut Meinrad Gfall bereits vorhanden und wird nur in Szene gesetzt.

Meinrad Gfall | Wir brauchen uns bei der Planung überhaupt nicht zu verkünsteln, wir müssen keinen Skywalk oder so planen. Das Beste ist schon da und nicht zu toppen – die Kulisse. Für mich besteht die Gartenschau aus drei Bs: Der Bodensee bildet den Hintergrund. Der Baumschutz ist uns, speziell auf der Insel, wichtig. Und es geht nur mit Bescheidenheit – man kann sich bei der Gestaltung zurücknehmen. Das hat gar nicht so viel mit finanziellen Aspekten zu tun, sondern damit, die Kulisse einfach für sich wirken zu lassen. Wir inszenieren sie nur – und das ist für uns keine Pflichtaufgabe, sondern eine große Freude am Gestalten.