Das acht Meter hohe Bauwerk aus Muschelkalk hat eine bewegte Entstehungsgeschichte – die als Geschichte seiner Rezeption im Grunde bis heute fortgeschrieben wird. Bestrebungen, eine Art Kombination aus Kriegergedächtnisstätte und Denkmal für den „eisernen Kanzler“ Otto von Bismarck (1815-1898) zu errichten, gab es in Lindau schon ab 1910. Doch der Erste Weltkrieg und das Ende des Kaiserreiches ließen diese bald in den Hintergrund treten.

Ein ganzer „Heldenhain“ für Lindau?

Noch dazu war man sich uneins: Während sich für die Errichtung des Denkmals eigens ein Verein gründete, gab es auch eine Initiative, die am heutigen Standort lieber einen ganzen „Heldenhain“ gestalten wollte. Daraus wurde nichts, nur der Name der Zufahrtsstraße erinnert heute noch an die Idee dieses „vaterländischen Gesamtkunstwerks“: Heldenweg. Dass das Denkmal überhaupt hier am Hoyerberg steht, geht auf eine private Schenkung zurück. Eine wohlhabende Lindauer Familie überließ der Stadt ein Stück Land an der Südostflanke, das ihr gehörte.

Doch nahm das Projekt erst wieder Fahrt auf, als der Nationalismus in Deutschland an Zulauf gewann. 1931 wurde das Denkmal schließlich vom Münchner Bildhauer Lothar Dietz (1896-1976) errichtet. Dieser griff für den steinernen Reichsadler, bei dem Bismarck lediglich im Sockel mit Name und Abbild Erwähnung findet, auf eine Formensprache zurück, die im damaligen Kunstverständnis verbreitet war. Die Nationalsozialisten griffen diese auf und machten sie zu ihrer „Staatskunst“.

Erbe der NS-Zeit, an dem bis heute zu tragen ist

Dass das Bismarckdenkmal nicht mit dem Dritten Reich unterging, führt man heute darauf zurück, dass die französische Militärhoheit während der Besatzungszeit daran nichts Anstößiges erkennen konnte: Nationalsozialistische Symbole finden sich schließlich keine. Doch inzwischen ist das Bismarck-Denkmal ist baufällig, eine Sanierung wohl kostspielig. Soll dies nun zum Anlass genommen werden, den Reichsadler auch äußerlich zu verändern und vom Makel der „Nazi-Kunst“ zu befreien?

Um auf diese Frage die richtige Antwort zu finden, stellt man sich in Lindau gerne der Diskussionen, wo mitunter ganz verschiedene Standpunkte vertreten werden. Das dies heute möglich ist, ist vielleicht die wichtigste Erkenntnis, die sich von Denkmälern aus jener Zeit ableiten lässt: Dass wir heute in einer freien, demokratischen Gesellschaft leben, in der ein offener und uneingeschränkter Gedankenaustausch möglich ist.