18 besetzte Stellwerke und Schrankenposten gab es früher entlang der Lindauer Zugstrecken – heute sind es noch sieben. Die Stellwerkswärter und Schrankenwärter kennen den Rhythmus der Stadt.

Seitdem Lindau 1853 an das Eisenbahnnetz angeschlossen wurde und der Tourismus dadurch Schwung aufnahm, hat sich viel bewegt rund um die Schienen. Momentan werden die Strecken München – Lindau sowie Lindau – Ulm elektrifiziert und der Eisenbahnknoten Lindau wird ausgebaut. Inmitten all der Veränderungen gibt es jedoch einige Dinge, die schon lange Bestand haben – das Stellwerk an der Bregenzer Straße beispielsweise: Seit 1911 steht es an dem vielbefahrenen Gleisübergang. Gebaut wurde es mit dem Bahnhof Reutin von 1906 bis 1911.

32 Jahre lang arbeitete Horst Müller darin als Stellwerkswärter. „1972 habe ich meine erste Schicht in dem Häuschen verbracht“, erinnert sich der 77-Jährige. „Bei der Eisenbahn zu arbeiten war damals eine sichere Sache, das war ein Arbeitsplatz mit Zukunft, und mit vielen verantwortungsvollen Aufgaben“. Kenntnisse über Wagenarten, das Stellwerk, die Schrankenanlage, Fahrpläne und vieles mehr bilden die Grundlage. „Auch bei Schäden an den Schranken oder an der Oberleitung leisteten wir damals noch erste Hilfe“, so Horst Müller. „Wenn heute was ist, ruft man den Notfallmanager der Deutschen Bahn.“

Körperliche Herausforderung, große Verantwortung

Ob werk- oder feiertags: Das Stellwerk ist von früh am Morgen bis spät in die Nacht besetzt. Vor jeder Schicht müssen die Spannwerke für die Signale und Weichen geprüft werden: Sind alle Seile auf der Rolle, ist eines beschädigt? Auch für das Einstellen der Weichen ist der Stellwerkswärter zuständig: „Wie oft habe ich im Winter erstmal alles freigeschaufelt“, denkt Horst Müller zurück, „und trotzdem musste man sich beim Einstellen der Weichen mit vollem Körpergewicht dran hängen, so schwer ging das.“ Tagein, tagaus Dienst an der Schranke – alleine in einem kleinen Betonbau, in dem Besuch verboten ist.

„Ein Schrankenposten ist eine einsame, aber auch herausfordernde Sache“, sinniert Horst Müller. Ein Tisch, ein Stuhl und eine große Verantwortung: Wenn man hier einen Fehler macht, kann das Menschenleben kosten. „Tatsächlich ist das mein Highlight aus 32 Jahren Berufstätigkeit: Dass ich niemals einen Unfall verschuldet habe, bei dem jemand zu Schaden kam“, so Müller. Die moderne Entwicklung sieht er denn auch als Fortschritt, sie diene der Sicherheit. „Die manuelle Bedienung der Schranken wird irgendwann ganz entfallen, das minimiert natürlich auch das Risiko für menschliches Versagen.“

Neue Bedingungen für noch besseren Verkehrsfluss

Heimweh nach „seinem“ Häuschen hat Horst Müller nicht. „Ich saß da lange genug drin, und wusste immer, wer wann an den Gleisen steht und drüber will“, erinnert er sich. Seit er mit 63 in den Ruhestand ging, ist er derjenige, der ab und zu an den Schranken steht – und genau weiß was vor sich geht, bis die Glocke wieder bimmelt und der Schrankenbaum sich hebt.

Mit der neuen Unterführung am Langenweg wurde die Verkehrssituation zur Zufahrt auf die Lindauer Insel bereits deutlich verbessert. Als nächstes wird der Bahnübergang an der Bregenzer Straße aufgelöst – hier entsteht eine Fuß- und Radwegunterführung. Die Arbeiten starten bereits in diesem Jahr und sollen bis 2020 abgeschlossen sein.