Jedes Jahr testet unsere Autorin eine Freizeitaktivität für Sie – nach Stand-up-Paddeln und Kanufahren in den Vorjahren ging es diesmal zum Golfen in den Lindauer Golf-Club Bad Schachen.

Das waren nochmal Par und Handicap? Kann man sich als Anfänger beim Golfspielen eigentlich verletzen? Und: Was ziehe ich an?! Diese Fragen schossen mir durch den Kopf, als ich den Auftrag bekam, doch mal Golfen zu testen. Beantworten sollte sie mir Achim Steinfurth – Golfprofi, Vorstandsmitglied des Golf-Clubs Lindau-Bad Schachen e. V. und daher Experte für den  vermeintlichen „Sport der Privilegierten“.

„Dann schauen wir uns mal an, worüber so viele etwas zu wissen glauben“, schmunzelt er, platziert mich und meine Bedenken in einem der schnittigen Elektro-Carts und fährt los. 65 Hektar groß ist die 18-Loch-Anlage am Stadtrand von Lindau, welche Architekt Bernhard von Limburger in den 50er-Jahren entwarf. Der international bekannte Lindauer Landschaftsarchitekt Kurt Rossknecht verlieh ihr dann den letzten Schliff. „Es heißt ja gerne, Golfer würden die Natur verunstalten“, sagt Achim Steinfurth, „dabei richtet sich ein guter Gestalter nach dem, was da ist!“ In diesem Fall sind es sanfte Hügel, kleine Senken, langgezogene Geraden und ein Hammerausblick an Loch 17. „Das Design unseres Platzes ist zu 90 Prozent natürlich, lediglich die Abschläge, Bunker und Greens wurden angelegt“, erklärt Steinfurth. „Sehen Sie die Blumenwiesen und die kleinen Wasserläufe? Man kann hier auch einfach nur spazieren gehen, wenn man möchte – halt nur nicht auf dem Green.“

Auf den Fotos sehen Sie Stefan Gertz – Leiter der „Golf Akademie Bodensee 360“ im Golf-Club Lindau Bad Schachen e. V. Als Mitglied der Professional Golfers Association (PGA) benötigt er nur die Mindestanzahl von 71 Schlägen für die 18 Bahnen im Golf-Club Bad Schachen, sein Handicap liegt also bei 0. © Hari Pulko

Beste Bedingungen von März bis November

Denn das Green – die penibel gepflegte Rasenfläche am Ende jeder der 18 Spielbahnen – ist das Heiligtum der Golfer. Auf drei bis fünf Millimeter Höhe wird das Gras heruntergekürzt; in der Hauptsaison sind dafür täglich acht bis zehn Platzarbeiter im Einsatz. 400 Quadratmeter vertikutieren, aerifizieren, sanden, düngen, mähen und walzen – Greenkeeping ist eine Wissenschaft für sich. Der Lohn der Mühe? Dass man von März bis November auf einem erstklassig gepflegten Platz golfen kann (wenn kein Schnee liegt, sogar noch länger), und dass der Ball auf dem Green besonders gut rollt.

Apropos Ball: Es gibt natürlich unzählige Varianten dieser kleinen Kugel, die mindestens 42,67 mm Durchmesser haben muss und maximal 45,93 Gramm wiegen darf. Genauso wie es eine große Auswahl an Schlägern gibt – sie unterscheiden sich u. a. in der Länge des Schafts, im Winkel oder im Material. All das erfahre ich, nachdem wir den kompletten Platz einmal umrundet haben – inklusive eines kurzen Stopps am sogenannten Halfway-House, das Spielern nach neun Löchern die Möglichkeit gibt, bei einem Getränk und einem Plausch kurz zu pausieren.

Mit Geschicklichkeit und Gefühl geht es voran

Doch nun, an der Abschlaghütte auf der Übungswiese, geht es endlich zur Sache: Ich soll meine ersten Bälle schlagen. Füße ausrichten, Oberkörper neigen, Armhaltung korrigieren – check. Ball aufs Tee platzieren, Flugbahn visualisieren, Schwung proben – läuft. Ziel fixieren, ausholen, Ball schlagen – daneben. Mit viel Esprit haue ich in die Luft. Nochmal. Und nochmal. „Keine Sorge, das ist normal“, versichert mir Achim Steinfurth, der mit zwölf Jahren das erste Mal Golfluft schnupperte. „Ich hab mir mein Taschengeld aufgebessert, indem ich für einen Spieler die Ausrüstung über den Platz zog“, erinnert er sich an seinen Job als Caddie, während ich weiterhin versuche, den Ball zu treffen. „Natürlich ist es eine Frage der Technik – aber eben auch der Konzentration“, verrät der Profi. Es kommt also nicht primär auf die Kraft an, sondern auf Geschicklichkeit und Gefühl.

Kann man sich durch ungeschicktes Schlagen denn nun verletzen? „Eigentlich nicht, sofern man sich vorher etwas aufwärmt und dehnt. Rückenschmerzen oder ähnliches bekommt man eher durch falsche Technik oder Überlastung“, sagt Achim Steinfurth. Diese Sorge wäre also schon mal genommen – ich schwinge weiter den Schläger. Und tatsächlich: Als ich alles ausblende – den Profi neben mir, die Videokamera zur Dokumentation von Fortschritten und meinen Ehrgeiz – da klappt es. Mein erster Golfball saust durch die Luft! „Er fliegt“, juble ich, und verstehe jetzt, was ich bei der Rundfahrt gehört habe: dass es ein erhabenes Gefühl sei, wenn der Ball seine weite Strecke zurücklegt. „Jetzt stellen Sie sich mal vor, Sie machen das morgens, wenn es rundum noch ruhig ist und die Natur erst erwacht …“, schwärmt Achim Steinfurth – und ich kann ihn verstehen.

 

Ein Sport, der auf Rücksichtnahme, Höflichkeit und Zuvorkommenheit baut

Bevor meine Arme ob der ungewohnten Bewegung schlappmachen, ist meine Probeeinheit auch schon zu Ende. Zehn Kilometer ist man nach einer kompletten Runde hier gelaufen; 71 Schläge benötigt ein Profi, um alle 18 Löcher abzuarbeiten. Das alles bei mittelmäßiger körperlicher Belastung und moderater Herzfrequenz – kein Wunder also, dass Golf als Altherrensport gilt? „Unsinn“, lacht Achim Steinfurth, „unser Verein hat 950 Mitglieder, die jüngsten sind gerade mal vier. Golf ist ein Sport für Jung und Alt und in jedem Alter ein reizvolles Hobby.“ Und was ist mit teuer und elitär? „Die Jahresgebühr können sich mittlerweile auch Normalverdiener leisten. Wichtig ist einfach, dass man sich in die Gemeinschaft integriert und einander mit Achtung begegnet.“

Ein Individualsport also, der auf Rücksichtnahme, Höflichkeit und Zuvorkommenheit baut – klingt widersprüchlich, beschreibt das Golfen aber ganz gut. Und schließt irgendwie den Kreis zur letzten meiner drei Einstiegsfragen: der passenden Kleidung. „Tragen Sie Freizeitkleidung, in der Sie sich wohlfühlen“, hatte Achim Steinfurth empfohlen, „zum Beispiel eine bequeme Hose, Sportschuhe und ein Polohemd.“ Sport, aber eben mit Stil, Respekt und Haltung – das ist Golf. Und diese Eigenschaften passen doch ziemlich gut in die heutige Zeit.

Kostenfreie Probestunde im Golfclub Lindau

Während der Golfsaison von März bis November wird jeweils am 1. und 3. Sonntag des Monats eine Schnupperstunde angeboten. Die Übungseinheiten sind kostenfrei, das benötigte Material wird vom Golf-Club gestellt.