Ein Besuch auf dem Wochenmarkt ist eine Investition in Gaumen und Lebensfreude

Willi ist immer als Erster da. Schon am Freitagabend parkt er seinen weißen Wagen neben dem Brunnen, leuchtend gelb lockt die Schrift auf seinem Grillmobil. Honigfarben hat sich ein paar Meter weiter auch der Wagen des Imkers bereits in Stellung gebracht. Und dann, im Morgengrauen, bauen die anderen auf. Manfred mit seinem Käse und Schinken aus dem Bregenzerwald, Johannes mit dem Trockenobst und Monika mit den Gesundheitsprodukten auf Naturbasis. Peter mit Fisch und Feinkost, zahlreiche Obst-  und Gemüsehändler aus der Umgebung, und natürlich die Anbieter internationaler Schmankerl: Ziegenkäse aus Frankreich, Porchetta aus Italien, Käse, Oliven und Brotaufstriche aus Griechenland.

Am Marktstand des „Obsthof Aichele“ gibt es Vitamine in ihrer leckersten Form. © Hari Pulko

Spätestens, wenn die Kirchturmuhr acht mal schlägt, trudeln die ersten Kunden ein. Mit ihren kleinen Rollwagen die alten Damen – über das Kopfsteinpflaster gehen sie vorsichtig, hier kurz ausruhen, da ein Plausch. Dann kommen die Familieneinkäufer, ihre Korbtragetaschen füllen sich mit Obst, Gemüse und Antipasti für das Abendessen. Und dazwischen die Touristen, in Radlerhosen oder Funktionskleidung. Sie probieren hier einen Happen, machen dort ein Bild, bewundern das Gewusel und das Angebot.

„Ich komme jede Woche extra aus der Schweiz hierher“, ruft ein Mann. „Schreiben Sie das!“. Aus Wattwill bei St. Gallen fährt er nach Lindau, um frisches Obst und Gemüse vom Aichele-Hof zu kaufen, und einen Plausch mit den Verkäuferinnen zu halten. „Wenn ich hier einkaufe, weiß ich, woher die Sachen kommen, und dass die Qualität top ist“, sagt er, und umarmt kurz darauf eine der Damen im schwarzen Shirt.


Die Herzlichkeit der Menschen macht den Markt zu etwas Besonderem

„Auf diesem Markt zu verkaufen, fühlt sich nicht wie Arbeit an, eher wie Urlaub“, findet Johannes Daniel mit seinem Obst- und Nussstand aus Isny. „Das internationale Publikum, die Herzlichkeit und natürlich auch die Kauffreude der Menschen machen den Markt zu etwas ganz Besonderem.“

International heißt auch multilingual: „Does this plant need light?“, fragt eine Touristin aus den USA, „A little bit scho“, antwortet die junge Verkäuferin mit einem sympathischen Lächeln. Melanie Hauber unterstützt ihre Mutter jede Woche beim Blumenverkauf. Die 28-Jährige ist quasi auf dem Markt großgeworden. „Es hat was von einer Familie hier, man passt aufeinander auf und hilft sich. Der Zusammenhalt ist groß.“ Ihre Mutter Hildegard hat viel miterlebt in den vergangenen Jahrzehnten: den Trend vom traditionellen Marktstand zum praktischen Verkaufswagen beispielsweise. „Natürlich hat man da weniger Aufwand beim Zusammenpacken, aber für mich wäre es trotzdem nichts“, sagt die 61-Jährige, deren Rosen, Sonnenblumen und Dahlien in Eimern auf dem Kopfsteinpflaster stehen. Der Vorteil: Man ist näher dran am Kunden, keine Theke stört den persönlichen Kontakt. Und der ist wichtig – vor allem dann, wenn die Großveranstaltungen vorbei sind und die Touristenströme schwächer werden: „Im Winter leben wir von unseren Stammkunden, ohne die geht es nicht“, sagt Hildegard Hauber, und flicht kleine Trockenblumen zu einem farbenfrohen Kranz.

Manfred Bittel verkauft Spezialitäten aus dem Bregenzerwald auf dem Lindauer Wochenmarkt. © Hari Pulko

Bummeln, schauen, plauschen, kaufen

Die Stammkunden wiederum schätzen es, bei „ihren“ Händlern gewohnte Qualität zu erhalten. „Guten Morgen. Sie kennen meinen Wunsch“, sagt eine Dame an der Theke von Manfred Bittel, und noch bevor sie den Satz zu Ende gesprochen hat, packt er schon eine Tüte Reibekäse auf den Tresen. „Hab ich Ihnen extra zur Seite gelegt“, strahlt der Lindauer, der lange in Vorarlberg gelebt hat und seitdem Spezialitäten aus dem Bregenzerwald verkauft. „Die Kunden auf dem Lindauer Markt sind treu“, sagt er mit leuchtenden Augen – und dass er sich jede Woche freue, bekannte Gesichter zu sehen und ein Schwätzchen zu halten.

Eilig hat es kaum jemand auf dem Markt, denn Eile wäre doch das Gegenteil von dem, warum man hier ist: zum Schlendern und Schauen und Plauschen und Naschen. Das Notwendige und das Angenehme miteinander verbinden, genießen statt einfach nur einkaufen… Das ist es, was den Marktbesuch ausmacht. Und das ist es, was den Menschen hier jede Woche aufs Neue ein Stückchen Lebensqualität beschert. Und davon darf‘s immer ein bisschen mehr sein.

Lindauer Inselmarkt auf dem Therese-von-Bayern-Platz

Derzeit findet der Lindauer Wochenmarkt sowohl mittwochs als auch samstags auf dem Therese-von-Bayern-Platz direkt neben der Inselhalle statt. Dienstags sind die Markthändler im Stadtteil Aeschach auf dem Festland zu finden.