Prof. Dr. Roland Doschka, Kurator der Kunstausstellung „Marc Chagall – Paradiesische Gärten“, feiert am 29. Januar seinen 80. Geburtstag und gestaltete einen Chagall-Garten auf dem Gelände der Gartenschau Lindau. Im Interview erläutert der Kurator und Gartengestalter seine Motivation für dieses außergewöhnliche Projekt.

Mein Lindauer Lieblingsort befindet sich auf der Insel, ganz in der Nähe des Stadtmuseums im „Haus zum Cavazzen“: Es ist „meine“ Bank am Marktplatz vor dem Neptunbrunnen – ein Geschenk der Stadt Lindau an mich aus dem Jahr 2018. Sie bietet einen wunderbaren Blick auf das prachtvolle Bürgerhaus, in dem ich seit 2011 insgesamt acht Sonderausstellungen zur Kunst der klassischen Moderne kuratiert habe. Auch wenn der Cavazzen momentan saniert wird – am Markt herrscht immer ein lebendiges Treiben. Für 2021 kuratiere ich die Ausstellung „Marc Chagall – Paradiesische Gärten“ – passend zur Gartenschau, und für mich als Gartengestalter ein wunderbares Geschenk zu meinem 80. Geburtstag.

 

Herr Professor Doschka, Sie haben auf dem Gartenschaugelände einen „Chagall-Garten“ kreiert. Was kann man sich darunter vorstellen?

Prof. Dr. Roland Doschka | Die Gartenschau als grünes Refugium auf der Lindauer Insel ist geradezu prädestiniert für einen chagallesken Garten. Er befindet sich in der Nähe der Luitpoldkaserne beim Haupteingang und zeigt ein Arrangement aus Blumen und Blüten, das Chagalls Lieblingsfarbe Blau als wichtiges Leitmotiv seiner Kunst in die Gartenwelt überträgt. Die Pflanzenauswahl erfolgte nach einer Idee von mir durch die renommierte Gartenarchitektin Petra Pelz. Winterharte Stauden und einjähriger Sommerflor wurden so gemischt, dass von einem Fahnenblau bis zu einem intensiven Nachtblau ständig sich ändernde Farbvariationen bewundert werden können.

Was hat Sie bei der Konzeption der Fläche besonders inspiriert?

Prof. Dr. Roland Doschka | Beim Chagall-Garten geht es um die Kraft des Neubeginns. Die Farbe Blau spielte für den Künstler eine besondere Rolle und kennzeichnet einen Neuanfang nach einer schweren Zeit: Nach seinem erzwungenen Exil in Amerika während des Zweiten Weltkriegs, das vor allem gekennzeichnet war durch den tragischen Verlust seiner über alles geliebten Frau Bella, kehrte Chagall 1948 nach Frankreich zurück. Dort zog ihn das magische Licht des Südens an, dem so viele Maler erlegen waren. Er ließ sich in Vence nieder und war überwältigt von der überbordenden Natur und den südlichen Sternennächten. Das Ergebnis war eine wahre Explosion seiner Farbpalette und eine imponierende Aufhellung und Intensivierung seiner Farben. Hauptmotive wurden fortan voluminöse Blumensträuße sowie mediterrane Gärten und Landschaften, die unter dem Eindruck der blauen Stunde der Abenddämmerung in intensiven Blautönen wiedergegeben wurden. Das Blau in all seinen Nuancen wurde in dieser Zeit zu seiner Lieblingsfarbe und zum Inbegriff seiner mediterranen Schaffensphase. Blau war für ihn jedoch nicht nur der Ausdruck seiner südlichen Impressionen, sondern eine transzendente Farbe. So stand für Chagall hinter der überwältigenden Vielfalt der Formen und Farben der Natur immer die Allmacht eines Schöpfers.

Sie sind auch Kurator der Ausstellung „Marc Chagall – Paradiesische Gärten“ im Kunstmuseum Lindau. Kann die Verbindung der floralen Komposition des Chagall- Gartens zu originalen Bildern des Künstlers nachvollzogen werden?

Prof. Dr. Roland Doschka | In der Lindauer Ausstellung zeigen wir exquisite Werke von Chagall mit großen, farbleuchtenden Blumenkompositionen. Sie zeigen, wie der Künstler voller Lebens- und Schaffenskraft immer neue Variationen seiner floralen Motive erfindet. Natur und Kunst sind in Chagalls Werk untrennbar miteinander verbunden, und kaum jemand kann sich der Poesie dieser Bilder entziehen. Im Kunstmuseum veranschaulichen wir die zentrale Bedeutung der Natur für die Bilder Chagalls, die unbestritten zu den größten Meisterwerken des 20. Jahrhunderts zählen. Somit passt diese Schau hervorragend zur Gartenschau in Lindau.

 

Weiteres Interview mit Herrn Prof. Dr. Doschka von 2018